EINE EINORDNUNG

Die Welt der Simulation - Die Simulation der Welt

Ungewissheit ist für uns Menschen ein Zustand, den wir nur ungern ertragen. Wir wollen wissen, was uns erwartet, wollen vorbereitet sein und künftige Entwicklungen beeinflussen können. Simulationen ermöglichen uns einen Blick hinter den Vorhang: Mit Simulationen bilden wir komplexe Systeme und die darin ablaufenden Prozesse nach, um sie besser zu durchschauen und entsprechend entscheiden zu können. Sie vermitteln Sicherheit und stärken das Vertrauen in die eigene Handlungsfähigkeit. Das Anwendungsfeld ist weit und reicht von Trainings mit dem Flugsimulator über das Durchspielen von Verkehrsszenarien bis zur Erforschung des menschlichen Gehirns oder der Auswirkungen des Klimawandels. Simulationen erkunden den «Möglichkeitsraum», der je nach Komplexität mal mehr, mal weniger Ungewissheit in sich trägt. Jede Simulation ist eine Reduktion. Wenn im zugrundeliegenden Modell wichtige Einflussfaktoren fehlen, geht die Simulation an der Realität vorbei.

«Schwierig wird es, wenn es um die Vorhersage individuellen menschlichen Verhaltens geht.»

Können wir denn alles simulieren? Die Simulation kommt aus den Natur- und Technikwissenschaften, in denen die betrachteten Systeme naturwissenschaftlichen oder mathematischen Gesetzmässigkeiten folgen. Diese lassen sich zum Teil auch auf menschliches Verhalten anwenden, so zum Beispiel bei der Simulation von Pendlerströmen in einem Bahnhof. Schwierig wird es, wenn es um die Vorhersage individuellen menschlichen Verhaltens geht. So versuchte ein europäisches Forschungskonsortium mit einem Online-Spiel zu simulieren, welche Verhaltensregeln im Pandemiefall am besten akzeptiert werden. Da dieser «Simulation» kein wissenschaftliches Verhaltens-Modell zugrunde lag, müsste es eigentlich als Experiment bezeichnet werden. Soziale Systeme sind (bis heute) zu komplex, um sie verlässlich nachzubilden.

In sozialen Systemen findet dagegen eine andere Art von Simulation statt, die – von den sozialen Medien angetrieben – immer häufiger zu beobachten ist: Soziale Systeme erzeugen mittels «Geschichten» ihre eigene Wirklichkeit. Wer hat nicht gelegentlich das Gefühl, das Gegenüber lebe in einer anderen Realität? Was wir uns gegenseitig erzählen, wird ungeachtet seines Wahrheitsgehalts zu unserer Realität und beeinflusst unser Handeln – im Positiven wie im Negativen. Ist das nun simulierte Realität oder reale Simulation? Oder einfach nur Fiktion?

 

Zum Weiterlesen:
Schulz von Thun, F. (2007): Miteinander reden 4. Fragen und Antworten.

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